Logo

Zeugnis der Zeugung

veröffentlicht am 6. Juni 2016

Das aktuelle Hebammenforum – das Fachmagazin des deutschen Hebammenverbandes – arbeitet sich an der assistierten Befruchtung ab. Das Problem dabei: von argumentativer Ausgewogenheit keine Spur.

Was verbindet Bauernhof und Familie? Foto: Jason Shivers - pixabay.com

Was verbindet Bauernhof und Familie? Foto: Jason Shivers – pixabay.com

Den Anfang im Themenschwerpunkt macht ein Beitrag von Givanni Maio, Proessor für Medizinethik in Freiburg. Einem Donnergrollen gleich, bezichtigt er darin ausnahmslos alle Menschen, die auf nicht „natürlichem“ Weg ein Kind zeugen, der Selbstbezogenheit, sieht in ihrem Verhalten offenkundig werdende Hybris. Dabei ist die differenzierte Sichtweise nicht so seine Sache. Vielmehr geht es darum, philosophisch angehauchtes Vokabular aneinanderzureihen, um – so die Pointe der Argumentation – die Verdinglichung des Lebens durch künstliche Befruchtung herauszuarbeiten.

Wir erfahren, dass der Kinderwunsch immer ein Wunsch bleibe müsse „weil man einen neuen Menschen nur wünschend empfangen kann“, und dass die „Haltung des Bestellens“ […] „nirgendwo so deutlich zum Ausdruck kommt wie bei der Leihmutterschaft.“ Ohne Relativierungen und mit der unverrückbaren Überzeugung, Wahrheit zu verkünden, pflegt Maio einen totalitaristischen Stil. Es gibt keine Abwägen, sondern nur unhinterfragbare Setzungen. Besonders ärgerlich wird die Argumentation, wenn Maio eine generelle Verdinglichung des ungeborenen Lebens unterstellt, durch die Beziehungen als unerheblich betrachtet werden.

Bauernhof und Familienglück

Den Text reichert er mit einem Panoptikum – aus seiner Sicht – menschlicher Grausamkeiten im Umfeld künstlicher Befruchtung bzw. Leihmutterschaft an: eine 67 Jahre alte Frau, die Vierlinge zur Welt bringt und ein australisches Ehepaar, das das behinderte Kind ihrer Leihmutter nicht „mitnimmt“. Was aber steht auf der „anderen“ Seite, all jener natürlich im Wünschen gezeugter Kinder? Wie viele Kinder, bei denen pränatal Trisomie 21 diagnostiziert wird, werden abgetrieben? Und wie viele Eltern tun sich schwer, tragfähige Beziehungen aufzubauen?

Wer sich mit Bilderbüchern beschäftigt, stellt fest, dass es zwei Lebenswelten gibt, bei denen Kindern gerne ein Fantasiebild vorgegaukelt wird: Bauernhof und Familie. Während auf dem Bauernhof glückliche Tiere leben, die nur darauf warten, gestreichelt zu werden, ist die Familie der Ort geglückter Bindungen und Beziehungen. Bei Maios Abwehrschlacht gegen künstliche Befruchtung wird man den Eindruck nicht los, er verteidige mit Zähnen und Klauen ein ähnlich idealisiertes Bild der heterosexuellen Normfamilie. Dass er dabei allen anderen Lebens- und Familienformen unterstellt, das Kindeswohl mindestens hintenanzustellen, wenn nicht sogar bewusst zu verletzen, gehört zum Standardrepertoire der „Familienverteidiger“. Regenbogenfamilien kommen in seinem Text nicht explizit vor, trotzdem sind wir alle eingeschlossen beim Vorwurf, das Kind zu einem Produkt zu machen, und dürfen uns zu Recht angegriffen fühlen.

Kampfschrift ohne Gegenwehr

Keine Frage, die Diversifizierung von Familie und damit einhergehend auch von Zeugung und familiären Bindungsgeflechten, stellt ganz offensichtlich viele Menschen vor eine Herausforderung. Dass sich das Hebammenforum mit dem Thema assistierte Befruchtung und den Konsequenzen für Hebammenhilfe befasst, könnte ein wichtiger Schritt sein, diese Pluralisierung aufzufangen und einzuordnen. Das Problem ist nur die eklatante Einseitigkeit. Es wird der Kampfschrift von Giovanni Maio nichts Adäquates entgegengesetzt: Ein historischer Abriss, Verfahrenserklärungen und ein Interview mit einer Hebamme, die in einer Fertilisationsklinik gearbeitet hat, können nicht dafür sorgen, dass ein argumentatorisch ausgewogener Eindruck entsteht.

Liebe Hebammen, wir hoffen, Ihr seid wesentlich aufgeschlossener, als Eure Verbandszeitschrift Euch darstellt. Viele Regenbogenfamilien setzen auf Euch und Eure zugewandte Betreuung – gut gehegte Vorurteile sind da ein schlechter Ratgeber.